Der ehemalige Standortübungsplatz Tauberbischofsheim bietet einen sehr wertvollen Lebensraum für zwei Bläulingsarten mit einer hochinteressanten Biologie, den Kreuzenzian-Ameisenbläuling (Maculinea rebeli) und den Argus-Bläuling (Plebejus argus). Das Naturkundemuseum Karlsruhe untersucht hier beide Arten in den Jahren 2013-2015 im Rahmen eines von der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg geförderten wissenschaftlichen Projekts. Die Bläulinge leben in engen Beziehungen mit Ameisen und sind auf das komplexe ökologische Zusammenspiel zwischen Raupennahrungspflanzen und Wirtsameisen angewiesen.
Biologie des Kreuzenzian-Ameisenbläulings
Der Kreuzenzian-Ameisenbläuling stellt wegen seiner besonders
starken Bindung an die Wirtsameisen eine Besonderheit unter den einheimischen Schmetterlingen dar. Die Weibchen legen nach der Paarung ihre Eier an die Blätter des Kreuzenzians (Abb. 1). Die jungen Raupen bohren sich in die Fruchtknoten und ernähren sich in den ersten Wochen ihres Lebens von Pflanzennahrung. Zu Beginn des 4. Larvenstadiums werden sie dann von Knotenameisen aus der Gattung Myrmicain in deren Nester eingetragen, wo sie von den Ameisen versorgt werden. Man spricht hier von sogenannten Brutparasiten, weil die Raupen sich durch chemische Stoffe an ihrer Oberfläche so gut tarnen, dass die Ameisen sie wie ihre eigene Brut behandeln und füttern. Aufgrund der Ähnlichkeiten zum Kuckuck in der Vogelwelt wird dieser Bläuling daher manchmal auch als Kuckucksart bezeichnet. Nach der
Überwinterung im Ameisennest verpuppen sich die Raupen im Frühjahr und die fertigen Schmetterlinge (Abb. 2) schlüpfen Anfang bis Mitte Juni aus den Ameisennestern. Verschiedene Myrmica-Arten können als Wirte fungieren. Im geplanten NSG Brachenleite wurde bislang nur M. schencki nachgewiesen, welche auf besonders mageren Böden vorkommt und zu deren Erhaltung der Nährstoffeintrag z.B. durch Weidevieh zu minimieren ist. Die Pflegemaßnahmen durch Beweidung oder Mahd zu Naturschutzzwecken müssen in ihrer Intensität und dem Zeitpunkt der Durchführung mit der Biologie des Kreuzenzian-Ameisenbläulings abgestimmt werden. Wird zu einem ungünstigen Zeitpunkt gemäht, wenn sich die Raupen noch in den Blüten des Kreuzenzians befinden, kann die Bläulingspopulation dadurch stark geschädigt oder gar vernichtet werden.
Biologie des Argus-Bläulings
Der zu den Silberfleck-Bläulingen gehörende Argus-Bläuling (Abb. 3) ist für sein Überleben ähnlich wie der Kreuzenzian-Ameisenbläuling auf bestimmte Ameisenarten angewiesen. Dies bedeutet ohne die Ameisen könnten sich seine Raupen in freier Natur nicht erfolgreich entwickeln. Im Gegensatz zu den parasitischen Ameisenbläulingen aber ist diese obligatorische und hochentwickelte Vergesellschaftung zwischen Argus-Bläuling und Ameisen für beide Partner vorteilhaft, was als Symbiose bezeichnet wird. Die von den
Raupen abgegebenen Zuckertröpfchen und Aminosäuren dienen den Ameisen als Nahrung, wohingegen der Bläuling durch den Schutz vor Parasiten und Fressfeinden profitiert. Die Weibchen des Argus-Bläulings (Abb. 4) suchen zur Eiablage gezielt Plätze auf, an denen die von ihren Raupen bevorzugten Wegameisen aus der Gattung Lasius vorkommen. Sie orientieren sich in Bodennähe und legen ihre Eier an vertrocknetem Pflanzenmaterial in der Nähe der Ameisennester ab. In der Regel werden die Raupen vom Schlupf aus dem Ei bis zum Puppenstadium von Ameisen umsorgt, und teilweise findet die Entwicklung ähnlich wie bei den Ameisenbläulingen sogar in den Ameisennestern statt. Die Raupen ernähren sich jedoch im Unterschied zu jenen während ihrer gesamten Entwicklungsdauer vegetarisch von krautigen Nahrungspflanzen (oft von Schmetterlingsblütlern) in der Umgebung der Ameisennester und werden nicht von den Ameisen gefüttert. Auf
der Brachenleite sind die Raupen des Argus-Bläulings mit der Schwarzen Wegameise (Lasius niger) vergesellschaftet. Zur Erhaltung des komplexen Systems von Bläulingen, Ameisen und Nahrungspflanzen gilt es nicht intensivierte Landnutzungsformen zu fördern. So wird zum Beispiel extensive Beweidung mit Schafen gut vertragen, wie es die hohe Individuendichte des Argus-Bläulings im Gebiet der Brachenleite zeigt. Auf gemähten Flächen sollten Teilbereiche für eine ungestörte Larvalentwicklung von der Mahd ausgespart bleiben.
Dipl.-Biologe Dr. Matthias Sanetra, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projektes „Biodiversität von Bläulingen u.ihren Ameisenpartnern“